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Reisebericht von Bettina Peschanel

Trans-Bayerwald Nordroute

In 7 Etappen von Passau nach Mitterfirmiansreuth.

Reisebericht Trans-Bayerwald Nordroute

  • Steckbrief: 46, weiblich, allein reisend und ohne Motor
  • Kondition: ca. 4 (1-5)
  • Technisches Können: STS 2 (0-5)

War ich bisher nur in den Alpen unterwegs, erregt die letzte SZ-Beilage „Bayerischer Wald“, speziell die MTB-Seiten, mein großes Interesse. Das angeforderte Starterpaket ist bereits am nächsten Tag im Briefkasten, und so beginne ich mit der Planung.
Ende August 2018 ist es endlich soweit, ich fahre frühmorgens nach Passau und stelle mein Auto an der Veste Oberhaus ab, um die Nordroute in Angriff zu nehmen.

1. Etappe
Es ist kalt, und von oben ist die Stadt wegen starken Nebels nicht auszumachen. Dick eingepackt fahre ich los, nach einer kurzen Runde durch die Altstadt geht es erst mal 20 km an der Donau entlang. Die Sonne kämpft sich durch die Wolken und zaubert Lichtflecke auf die drei Flüsse, Wasserdampf steigt auf. In Erlau biege ich nach Norden ab und lande unvermittelt im Unterholz, teilweise versperren umgefallene Bäume den Weg. Abrupt endet der Trail, und es geht weiter auf Forstwegen am Bach entlang. Inzwischen ist es warm und sonnig. Ab und zu kreuze ich eine Straße, der erste nennenswerte Anstieg erwartet mich vor Spechting, wo ich bei guter Fernsicht bis in die Alpen schauen kann, einige weitere Hm sind vor Wegscheid zu bewältigen. Das erste Ziel erreiche ich mittags, die 700 Hm bisher waren kein Problem für mich. So mache ich mich nach dem Mittagessen auf zur

2. Etappe
Die 950 Hm, die jetzt vor mir liegen, werden sich im Rückblick als wesentlich mehr anfühlen. Unzählige Anstiege und kurze Abfahrten sind zu bewältigen. Nach der Schanze Breitenberg muss ich mein Fahrrad wieder über Äste und Brombeeren schieben und tragen. Ich komme aber auch über den Friedrichsberg und den Geiersberg, wo ich die grandiose Aussicht über den südlichen bayerischen Wald und das Alpenvorland genießen kann. Kurz vor Waldkirchen geht es nochmal über einfache Trails. Ich erreichte mein Ziel Waldkirchen nach über 1600 Tages-Hm ziemlich abgekämpft. So ganz will sich bei mir noch kein Trans-Gebirge-Gefühl einstellen.

3. Etappe
Nach kurzem Warmfahren erklimme ich den steilen Wollaberg, nach einem kurzen Trail geht es auf gemütlichen Waldwegen mit wenig Hm bis Neureichenau. Dann kommt die erste lange Steigung bis auf den Dreisessel, bei der ich schmerzhaft die am Vortag bezwungenen Hm spüre. Die Aussicht oben über die Sumava ist grandios. Nach einer Stärkung am Gipfel erwarten mich einige lange Downhills, die ich mit großem Spaß runterfahre. Ein zweiter langer Aufstieg bringt mich auf den Haidel, beim anschließenden Downhill verfahre ich mich und muss den richtigen Weg wieder suchen. Vor Mitterfirmiansreuth schinde ich mich nochmals bergauf und lande, nachdem ich die letzte Abzweigung verpasst habe, beim Skilift. Kein Problem, denn alle Unterkünfte befinden sich auf dieser Seite der Hauptstraße. Ich bin ziemlich erschöpft und vom Alleinfahren auch demotiviert. Ich habe die Anstrengungen, das Alleinfahren und das Gewicht des Gepäcks tatsächlich unterschätzt.
So beschließe ich, die Tour abzubrechen, suche mir eine Route auf Asphalt zurück nach Passau, von wo ich am nächsten Tag die Heimreise antrete. Aufgegeben zu haben gefällt mir gar nicht, und so nutze ich die Tage zu Hause zum Erholen. Eine in mehrfacher Hinsicht weise Entscheidung, wie sich sofort herausstellt: Ein 3-Tages-Regentief mit Temperatursturz lässt sich im eigenen Wohnzimmer wesentlich besser ertragen als auf dem Sattel. Ich nutze die Zeit, um meinen Beinen Erholung zu gönnen und beschließe, die Tour fortzusetzen. So mache ich mich ein paar Tage später erneut auf in Richtung Bayerischer Wald und parke dort, wo ich aufgegeben hatte: in Mitterfirmiansreuth am Skilift.

4. Etappe
Es regnet immer noch leicht, die Wolken hängen so tief, dass man kaum die Baumwipfel sieht, und auf dem Sattel ist es empfindlich kalt, aber jetzt weiß ich, was mich erwartet. Mein Gepäck habe ich nochmal um ca. 1 kg reduziert. Den ersten Anstieg auf den Almberg lasse ich aus, man sieht ja nicht mal, dass da ein Berg ist, und so geht es erst mal eher bergab Richtung Mauth auf gemütlichen Waldwegen. Am späten Vormittag gönne ich mir die Wildtier-Führung im Nationalpark Lusen. Es fängt wieder stark zu regnen an. Die Wisente lässt das unbeeindruckt, aber der Uhu legt seine Ohren (Anm.: Ich weiß, das sind NICHT seine Ohren!) waagrecht und schaut rekordverdächtig missmutig, auch der Luchs ist wenig begeistert. Als ich weiterfahre, wird es endlich trocken – zumindest von oben, der Dreck von unten verkrustet an meinen Beinen. Zum Ende der Etappe geht es über einige flowige Trails, kurz vor Spielgelau führt der Weg durch den Wald an einem Kanal entlang. Danach warten noch einige empfindliche Hm. Nach einer tollen Abfahrt strande ich unversehens an einem Zaun direkt am Ortsrand. Leider ist kein Durchkommen, ich muss wieder hochschieben. Erst jetzt sehe ich, dass ich rechts hätte abbiegen müssen, worauf mit großen Holzschildern in 3 m Höhe hingewiesen wird. Genau da schaut man natürlich hin, wenn man sich im Dowhnhill befindet. Aber macht nichts, ich bin schnell am Ziel und lasse den Abend mit Sauna, Schwimmbad und mehrgänigem Abendessen im Hotel ausklingen.

5. Etappe
Heute stehen laut Plan 1000 Hm an, also eine eher gemütliche Etappe – zumindest glaube ich das. Leider ist sie auch ohne Trail. Das Wetter ist toll, nach einem leichten Anstieg genieße ich eine lange Abfahrt und fahre längere Zeit auf einem einsamen Pfad an einem Bach entlang. Es geht bergauf und bergab bis zur Talsperre Frauenau, danach folgt ein gleichmäßiger Anstieg zum kleinen Hahnenbogen. Ich werde mit einer langen Abfahrt nach Zwieslerwaldhaus belohnt. Die ca. 100 Hm, die kurz vor dem Ort noch zu bewältigen sind, merkt man kaum. Am offiziellen Etappenziel angekommen, muss ich dennoch weiter bis Bayerisch Eisenstein, da man nur dort übernachten kann. Es soll auch einen Zubringer geben, doch den finde ich zunächst nicht. Der Ort ist trotz seiner wenigen Häuser erstaunlich lang, und die Fortsetzung des Weges ist am anderen Ende. Das Problem ist nur, dass in Zwieslerwaldhaus die Navigation endet, und das mit dem Herunterladen der Karte (und dem dafür nötigen Mobilfunknetz) ist ein echtes Problem (hier sind Offline-Karten eine echte Hilfe). Nach längerem Suchen finde ich schließlich den richtigen Weg und darf nochmal 300 Extra-Hm kurbeln – von wegen gemütlich. In Bayerisch Eisenstein angekommen möchte ich im Sportgeschäft meine Bremsen überprüfen lassen (Beläge habe ich dabei), werde aber erstens sehr unfreundlich und zweitens unverrichteter Dinge weggeschickt. Ich wende mich an die Touristeninformation. Die nette Dame dort ruft sofort ihren Mann an (der einen Ebike-Verleih hat). Nach 7 Minuten ist er da und wechselt mir die Beläge ambulant. Toll! Er erklärt mir auch, wie ich wieder auf die Route komme. Warum das offizielle Etappenziel nicht Bayerisch Eisenstein ist, erschließt sich mir nicht.

6. Etappe
Heute ist die Königsetappe dran: Der große Arber. Ich habe Respekt und Motivation, ein erster Anstieg bei Regenhütte bringt mich auf Betriebstemperatur. Nach einer kleinen Abfahrt geht es dann 17 km am Stück bergauf. Oder fast, denn zwischendrin sind 2 Abfahrten, doch die genieße ich nur so lange, bis mir einfällt, dass ich diese Hm ja wieder hochfahren muss. Teilweise ist der Schotter schmierig und saugt sich an den Reifen fest, das letzte Stück zum Gipfel teile ich mir mit Dutzenden Fußgängern, einem Mopsclub und vielen E-Bikern. Es beißt nun in den Oberschenkeln, aber bewundernde Bemerkungen („Schau mal, das sind die ganz Sportlichen, die ohne Motor“) tragen mich förmlich nach oben. Ich bekomme sogar eine persönliche Laola-Welle, als ich oben ankomme. Das Panorama oben ist sagenhaft: Die Sonne bricht durch die Wolken und zaubert Licht und Schatten über die Landschaft. Ich teile es mir mit vielen Menschen, was ich gar nicht mehr gewöhnt bin. Natürlich ist mein Handy-Akku leer, so dass es kein Gipfelfoto gibt. Auf dem Weg nach unten gönne ich mir das Mittagessen in der Chamer Hütte. Zunächst geht es auf Kieswegen bergab, doch plötzlich biegt der Weg ab, und ich finde mich unversehens auf einem 5 km langen STS2-Tail wieder, der alles Bisherige an Trails in den Schatten stellt (Wer STS googeln muss oder gar an eine österreichische Popgruppe aus den 80ern denkt, sollte sich hier eine Alternativ-Route suchen). Vor Eggersberg warten leider nochmal 100 sehr schmerzhafte Hm, doch die Abfahrt mit Panorama nach Lam entschädigt mich. Dank der Gästekarte kann ich mich kostenlos in der Sauna des Osserbads entspannen.

7. Etappe
Der letzte Tag lässt sich zusammenfassen unter dem Motto „alles auf einmal“. Direkt hinterm Haus geht es sofort mit Kaltstart in die Hm – inkl. einem bergauf-Trail von über 1 km Länge. Leider habe ich nicht genügend Watt in den Oberschenkeln und muss schieben. Zurück auf dem Forstweg radle ich so vor mich hin, als plötzlich ein schwarzer Basketball aus dem hohen Gras aufschreckt und wenig elegant in den Bäumen verschwindet. Ich weiß nicht, wer in diesem Moment mehr erschrocken ist – der Auerhahn oder ich. An diesem Tag ist auch die Navigation sehr ungenau (die Trans Bayerwald ist noch nicht ausgeschildert), so dass ich mehrmals im Unterholz lande. Aber auch die offizielle Route ist kaum zu finden, geschweige denn die off-grid-Abschnitte. Ein paar Mal muss ich suchen, aber schließlich finde ich mich zurecht. Die Landschaft wird nun offener und gewährt weite Blicke über den Lamer Winkel. Ein paar kleine Anstiege und Abfahrten folgen, dann finishe ich meine Nordroute in Furth im Wald. Der Kopf ist halt doch der stärkste Muskel.

Was bleibt außer einer tollen Radtour? Nette, aufgeschlossene Menschen, gutes Essen, günstige und extrem saubere Unterkünfte, und eine unglaubliche Rückfahrt: Um zu meinem Auto zurück zu kommen, muss ich von Furth nach Mitterfirmiansreuth. Die beiden Damen der Touristeninformation Furth telefonieren quer über Landkreise und Verkehrsverbünde, um mir die Verbindungen herauszusuchen. Ich muss 5x umsteigen und habe meist nur 4 Minuten Zeit dafür. Meine Großstadt-Hektik kann hier keiner verstehen, ein Schaffner meint nur: „Bis jetzt hat das Umsteigen immer geklappt, nur einmal nicht, aber da wars Winter“. Und er behält recht. Alles klappt wie am Schnürchen. Für die letzte Etappe von Grafenau nach Mitterfirmiansreuth will der Fahrer des Kleinbusses mich, aber nicht mein Bike mitnehmen, weil er keinen Kofferraum hat. Ich jammere etwas herum, er lässt sich nicht erweichen. Dieses Gespräch bekommt seine Kollegin von einer anderen Route mit (sie hat das gleiche Fahrzeug, aber mit Kofferraum). Die beiden diskutieren kurz, dann tauschen sie Fahrzeuge, Passagiere werden umgesetzt. Mein Fahrrad wird eingeladen und ich lande fahrplanmäßig in Mitterfirmiansreuth. Freunde, denen ich diese Geschickte erzähle, meinen nur: „Also in Deutschland könnte Dir sowas nicht passieren.“ … Aber das war in Deutschland.